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Vernehmlassungsantwort zur Sammelvorlage der "Nachträge zum Gesetz über die soziale Sicherung und Integration von Menschen mit Behinderung"

Am 24. Februar 2025 ging unsere Stellungnahme an das Departement des Innern
Frau Regierungsrätin Laura Bucher in St. Gallen ein.


Am 30.10.2024 wurde die Vernehmlassung zur Sammelvorlage zum Gesetz über die soziale Sicherung und Integration von Menschen mit Behinderung (sGS 381.4; abgekürzt BehG) eröffnet. Mit einer umfassenden Revision des BehG will die Regierung unter anderem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Kanton St.Gallen wesentlich verbessern. Die Revision des BehG ist als Sammelvorlage gestaltet, die drei Nachträge umfasst.

Unser Fazit

Fazit I. Nachtrag

Ein eindeutiges Bekenntnis für oder gegen die vorliegende Gesetzes-Revision ab-zugeben, fällt aufgrund der vielen erst in der Verordnung definierten Faktoren schwer. Grundsätzlich begrüsst der Schweizerische Blindenbund (SBb) jedoch die Stossrichtung, da die Selbstbestimmung der betroffenen Personen im Vordergrund steht. Zusammenfassend möchten wir jedoch folgende Punkte betonen:

Art. 1b Begriffe
Die Wichtigkeit der UN-BRK wird in verschiedenen Botschaftsabschnitten betont. Wir bedauern, dass sich dies im Artikel 1b nicht niederschlägt und die Leistungs-nutzenden nach Art. 8 ATSG definiert werden. Hier hätten wir uns ein Bekenntnis des Gesetzgebers zur Definition der UN-BRK oder mindestens des Behinderten-gleichstellungsgesetzes (BehiG) gewünscht. Eine Ausweitung der Definition auf Art. 9 des ATSG ist aus unserer Sicht zwingend notwendig.

Art. 4a (neu) Grundsätze
Die erste Revision beschränkt sich auf ambulante Leistungen im Bereich Wohnen. Dass im nächsten Revisionsschritt der Bereich stationäres Wohnen bearbeitet wird, begrüssen wir, möchten aber festhalten, dass nachfolgend auch der Bereich Arbeit und /oder Freizeit betrachtet werden muss.

Art. 4b (neu) Anspruch
Siehe Art 1b
Zudem muss aus unserer Sicht die Wohnsitzpflicht von einem Jahr aus dem Gesetzestext gestrichen werden.
Für Leistungsnutzende die das Referenzalter überschritten haben, gilt ebenfalls Art. 8 und Art. 9 ATSG und es darf nicht davon abhängen, ob sie vor Erreichen des Re-ferenzalters Beiträge für ambulante Leistungen im Bereich Wohnen bezogen ha-ben. Die Einschränkung auf den Bereich Wohnen muss im Gesetzestext gestrichen werden.

Art. 4c (neu) Unterstützungsbedarf
4 Eine Überprüfung des Unterstützungsbedarfs in der Regel alle drei Jahre erach-ten wir als zu kurz. Wir schlagen eine Überprüfung alle fünf Jahre vor.
5 Da die Regierung durch Verordnung die Einzelheiten zum Verfahren, zur Metho-de der Bedarfsermittlung und zur Datenbearbeitung regelt, entzieht sich unserer Kenntnis, welche wesentlichen Bedarfskriterien definiert werden. In diesen Prozess müssen Fachorganisationen eingebunden werden.
Aus unserer Sicht muss der Bedarf an Bildung und Weiterbildung ebenso erhoben werden wie der Bedarf an persönlicher Mobilität.

Art. 4f (neu) Leistungsbemessung
4 Der SBb lehnt eine Obergrenze für Leistungen ab

Art. 4g (neu) Begleitgarantie
Das Gesetz sieht nur Fachleistungen und Assistenzleistungen vor. Dieser Artikel muss mit c) Bereitschaftsleistungen ergänzt werden.

Art 4i (neu) Abrechenbarkeit von Leistungen.
Auch hier fehlen Bereitschaftsleistungen. Diese Leistungsart muss abrechenbar sein und in Art. 4i aufgenommen werden.

Art. 4j (neu) Leistungsabgeltung
3 Die Einzelheiten regelt die Regierung durch die Verordnung. Der SBb fordert ein klares Bekenntnis, Fachorganisationen und Direktbetroffene in die Erarbeitung der Verordnung einzubeziehen. Idealerweise bereits durch eine Anpassung des Geset-zestexts in: «Die Regierung regelt unter Einbezug von Fachorganisationen und Direktbetroffenen die Ansätze und die Einzelheiten der Kostentragung durch Verordnung.»

Art 26a (neu) Bedarfsermittlung
Der Eintritt in eine anerkannte Einrichtung setzt eine Bedarfsermittlung voraus.
Der SBb befürchtet, dass mit diesem Artikel eine Untergrenze an Leistungen festge-legt wird, welche nicht unterschritten werden darf, um in eine anerkannte Einrich-tung einzutreten. Der Artikel muss mit dem Zusatz ergänzt werden, dass die Wahl-freiheit unabhängig vom Ergebnis der Bedarfsabklärung gewährt wird.

Art. 31 Kosten
Laut bestehendem Gesetzestext beteiligt sich die oder der Leistungsnutzende an den Kosten für die Tätigkeit der Ombudsstelle IFEG im Einzelfall.
Auch wenn es ein bestehender Artikel ist, ist aus unserer Sicht die Beteiligung der Leistungsnutzenden an den Kosten zu streichen.

Fazit II. Nachtrag

Art 4bis (neu) Kommunikation
Laut der Botschaft kann diesem Artikel kein individueller Rechtsanspruch abgeleitet werden. Solange keine griffigen Verpflichtungen bestehen, bleibt es toter Buchstabe, was der SBb aber klar ablehnt.
Planungs- und Baugesetz

Art. 102a (neu)
b) Bauten und Anlagen im Eigentum der öffentlichen Hand
4c) der Beseitigung keine überwiegenden Interessen gegenüberstehen.
Für die Prüfung der Verhältnismässigkeit gelten zwangsläufig die Vorschriften der Bundesgesetzgebung, insbesondere Art. 11 und 12 BehiG

Art. 102b (neu)
Der SBb begrüsst diesen Artikel. Aus unserer Sicht stellt eine solche Stellungnah-me im Bewilligungsverfahren die Qualität der ausgeführten Projekte nicht sicher. Die zuständige Behörde müsste bei den Abnahmen auch spezifisch das Hindernisfreie Bauen prüfen.
Beispielsweise kann mittels Übereinstimmungserklärungen (durch Bauleitung/Architekt) analog Brandschutz die rechtmässige Umsetzung bestätigt werden und/oder die zuständige Behörde kann bei Bedarf die Beratungsstelle für eine Ab-nahme in der Baubewilligung aufführen.
Eine entsprechende Verpflichtung muss im Gesetz abgebildet werden.
Erlass Mittelschulgesetz

Art. 36ter (neu) Spezifische Massnahmen
Der Artikel hat mit der „kann" Formulierung keinen verbindlichen Charakter. Aus diesem Grund lehnt der SBb hier eine "Kann" Bestimmung ab und fordert folgende Formulierung:
1 Schülerinnen und Schüler mit Behinderung werden durch spezifische Massnah-men gefördert.
2 wird vom SBb begrüsst.

Fazit III. Nachtrag

Der SBb begrüsst den III. Nachtrag, verweist jedoch auch hier auf die Kernpunkte, die in der Verordnung gelöst werden. Ohne die Verordnung zu kennen, kann keine verbindliche Aussage gemacht werden.

Art 31d (neu) Verordnungsrecht
1Die Regierung erlässt durch Verordnung nähere Vorschriften zur Finanzierung der inklusiven familienergänzenden Kinderbetreuung, insbesondere betreffend a), b), c), d)
1 Der SBb fordert ein klares Bekenntnis, Fachorganisationen und Direktbetroffene in die Erarbeitung der Verordnung einzubeziehen. Idealerweise bereits durch eine Anpassung des Gesetzestexts in: " Die Regierung erlässt unter Einbezug von Fachorganisationen und Direktbetroffenen durch Verordnung nähere Vorschriften zur Finanzierung der inklusiven familienergänzenden Kinderbetreuung, insbesondere betreffend a), b), c), d)
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